Donnerstag, 30. Mai 2013

Ins Einzelne

Ins Einzelne. 

Seit vielen Jahren hab' ich still
Zu eurem Thun geschwiegen,
Das sich am Tag' und Tages -Will
Gefällig mag vergnügen.

Ihr denkt, woher der Wind auch weht
Zu Schaden und Gewinne,
Wenn es nach eurem Sinne geht,
Es ging nach einem Sinne.

Du segelst her, der Andre hin,
Die Woge zu erproben,
Und was erst eine Flotte schien,
Ist ganz und gar zerstoben.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Künstlers Abendlied

Künstlers Abendlied. 

Ach, daß die innre Schöpfungskraft 
Durch meinen Sinn erschölle! 
Daß eine Bildung voller Saft 
Aus meinen Fingern quölle! 

Ich zittre nur, ich stottre nur, 
Und kann es doch nicht lassen; 
Ich fühl', ich kenne dich, Natur, 
Und so muß ich dich fassen. 

Bedenk' ich dann, wie manches Jahr 
Sich schon mein Sinn erschließet, 
Wie er, wo dürre Haide war, 
Nur Freudenquell genießet; 

Wie sehn' ich mich, Natur, nach dir, 
Dich treu und lied zu fühlen! 
Ein lust'ger Springbrunn, wirst du mir 
Aus tausend Rohren spielen. 

Wirst alle meine Kräfte mir 
In meinem Sinn erheitern, 
Und dieses enge Daseyn mir 
Zur Ewigkeit erweitern.


Dienstag, 14. Mai 2013

Die Kinder im Walde

Die Kinder im Walde

Es blieben einst drei Kinder stehn,
Die grad' zur Schule sollten gehn;
Sie dachten dies, sie dachten das:
Das Lernen sei ein schlechter Spaß,

Und sprachen dann mit leichtem Sinn:
„Ei, laßt uns doch zum Walde hin!
Das Spielen ist der Thierlein Brauch;
Laßt spielen uns mit ihnen auch!"

Sie luden denn im Walde ein
Zum Spiel die Thiere groß und klein;
Doch sprachen die: „ Es thut uns leid;
Wir haben jetzo keine Zeit."

Der Käfer brummte: „Das wär' schön,
Wollt' ich mit euch so müßig gehn!
Ich muß aus Gras ein Brücklein baun;
Dem alten ist nicht mehr zu traun."

Am Ameishaufen schlichen sie
Ganz leis vorbei, ich weiß nicht wie,
Und liefen vor dem Bienlein schier'
Als war' es gar ein giftig Thier.

Das Mauslein sprach zu ihnen fein:
„Ich sammle für den Winter ein."
„Und ich," das weiße Täubchen sprach,
„Zum Neste dürre Reiser trag'."

Das Häschen winkte freundlich bloß:
„Ich könnte um die Welt nicht los;
Ihr seht, mein Schnäuzcheu ist nicht rein,
Das muß im Fluß gewaschen sein."

Und auch das Erdbeerblütchen sprach:
 „Ich nütze diesen schönen Tag,
Zu reifen meine süße Frucht,
Die dann der arme Bettler sucht."

Da kam ein junger Hahn daher.
Sie riefen: „Liebster Monsieur! er,
Er hat doch wahrlich nichts zu thun
Und kann ein bißchen bei uns ruhn!"

„Pardon! ich hab' von Adel Gäst'
Und arrangire heut' ein Fest!"
So spricht der Hahn voll Gravität,
Verneigt sich steif und kalt, und geht.

Draus dachten sie in ihrem Sinn:
Du, Bächlein, plätscherst doch so hin,
Komm, spiel' mit uns, sei mit uns froh!"
Das Bächlein sprach erstaunt: „Wie so?

Ei seht die faulen Kinder, seht!
Ich weiß nicht, wo der Kopf mir steht.
Sie meinen, ich hätt' nichts zu thun,
Und kann doch Tag und Nacht nicht ruhn.

Menschen, Thiere, Gärten, Wälder,
Wiesen, Thal und Berg und Felder —
Alle muß das Bächlein tränken
Und die Töpfe auch noch schwenken,

Kinder wiegen, Mühlen treiben,
Bretter schneiden, Erz zerreiben,
Wolle spinnen, Schiffe tragen,
Feuer löschen, Hämmer schlagen.

Ich kann euch alles sagen nicht,
Weil Mir dazu die Zeit gebricht."
So sprach's, und sprang von Ort zu Ort,
Und husch! war gleich das Bächlein fort.

Da war ihr Muth dem Sinken nah,
Als einer einen Finken sah,
Der aus dem Aste saß in Ruh
Und pfiff sein Lied und fraß dazu.

Sie riefen: „Ach, Herr Biedermann,
Der all die schönen Lieder kann,
Du hast gewiß recht viele Zeit
Und bist mit uns zum Spiel bereit!"

„Potz tausend! Hab' ich recht gehört?
Ihr Kinder scheint mir recht bethört;
Ich hab' gejagt den langen Tag
Den Mücken, sie zu fangen, nach.

Nun wollen auch die Jungen mein
Im Schlafe eingesungen sein;
Drum pfeif' ich mit der Brüder Chor
Den Kleinen meine Lieder vor.

Ich sing' dem Wald zur hohen Lust,
Ein müder Mann, aus froher Brust,
Dem Herren giebt mein Mund den Preis
Und lobt die Arbeit und den Schweiß.

Doch sprecht, was habt ihr denn gemacht,
Die also schlecht von nur gedacht?
Kehrt um, ihr Müßiggänger ihr,
Und stört die Leut' nicht länger hier!"

Von allen Thieren so belehrt,
Sind draus die Kinder froh gekehrt,
Und wußten, daß dem Fleiß allein
Des Spieles Lust ein Preis kann sein.

Franz v. Pocci





Donnerstag, 18. April 2013

Gegen das Gähnen - Rückert

Gegen das Gähnen.


Das Gähnen, lieber Sohn, es ist zwar unwillkürlich,
Doch abgewöhnen mußt du dirs als ungebührlich.

 Ich habe nie gesehn, daß wenn du auf den Zähnen
Was Gutes hast zu kaun, dir kam dabei das Gähnen.

Auch würde dir dadurch des Kauens Kraft entrissen
Und fallen möchte dir aus offnem Mund der Bissen.

Beim Lernen aber ist das Gähnen gleich erweckt;
Ich sehe, daß es dir nicht wie das Essen schmeckt.

Wenn gähnend sich der Mund aufthut, schließt sich das Ohr,
So daß es ungehört des Lehrers Wort verlor.

Wenn gähnend sich der Mund aufthut, gehn zu die Augen,
Daß sie des Buches Schrift nicht aufzufassen taugen.

Des Lernens Süßigkeit hast du noch nicht empfunden,
Sonst wäre dir die Lust zu gähnen ganz verschwunden.

Das Wissen, wiß' o Sohn, ist auch ein guter Bissen,
Dem Seelengaumen wird durchs Gähnen es entrissen.

Drum wenn beim Lernen dir ein Gähnen kommt, so hemm' es,
Entschlossen mit dem Schloß der Zähne niederklemm' es.

So hat es dir vorerst den Bissen nicht genommen,
Und endlich wird ihm selbst die Lust vergehn zu kommen.

Fr. Rückert.

Mittwoch, 17. April 2013

Der Regentropfen - Gedicht Christoph von Schmid


Fast wie ein Wunder der Natur wirkt der Regentropfen, wenn er von der Sonne angestrahlt wird. In ihm spiegeln sich Zweige oder andere Dinge. Je nach dem aus welcher Richtung man schaut, wechselt er die Farbe in Rot, Grün, Blau. Ein wunderschönes Gedicht erzählt von diesem Farbenspiel.


Der Regentropfen

Ein Frühlingsregen überfiel
Drei Knaben einst bei ihrem Spiel
Auf bunter Au am Buchenhain -
Sie flüchteten in Wald hinein.

Da kaum die Sonn' aus Wolken bricht,
Glänzt etwas, wie ein brennend‘ Licht,
Hellschimmernd aus des Waldes Nacht
In wunderbarer Farbenpracht.

"Ha, welch ein wunderschöner Schein,.
Rief Karl, da seht einmal hinein;
Schau, Fritzchen, dort im Busche, schau,
O welch ein unvergleichlich Blau!"

„Ich seh', sprach Fritz, das Licht wohl auch
Dort in dem wilden Rosenstrauch,
Doch ist's, so wahr ich ehrlich bin —
Ein herrlich schönes goldnes Grün."

„Was grün, was blau, fing Gustchen an,
Wie man sich doch betrügen kann!
Roth wie Rubin, seht ihrs denn nicht,
Ganz glutroth strahlt das Wunderlicht."

Sie traten hin — der Schimmer war
Ein Regentropfen hell und klar —
An einem einzeln Sonnenstrahl,
Der sich ins tiefe Dunkel stahl.

In buntverschied'nem Glanze seh'n
Die Wahrheit wir — nachdem wir steh'n;
Wird sie einst näher uns gerückt —
Wird sie in reinem Licht erblickt.

Christoph von Schmid
(*1768 †1854)

Sonntag, 14. April 2013

Das Rotkehlchen

Rothkehlchen. 
Rotkehlchen
Bild pixabay

Ein niedliches Rothkehlchen kehrte
Wenn Winterfrost den Hain verheerte,
Bei einem frommen Landmann ein.
Sobald es an sein Fenster pickte.
Kam gleich der gute Mann, und nickte
Ihm freundlich zu und nahm es ein.

Im Lenz verließ es dann sein Zimmer,
Fing an, so froh und frei wie immer
Sein kleines Nestchen sich zu baun,
Und sang zufrieden seine Lieder.
Es sang: Man traut uns gerne wieder,
Wenn wir auch Andern gern vertraun,

(Aus Wielands deutsch. Merkur.)

Samstag, 13. April 2013

Die Blüten und die Käfer - Gedicht von Rückert

Die Blüten und die Käfer. 

Die Blüten und die Käfer stritten; 
Die Käfer fraßen, die Blüten litten;
Der Lenz, des Streites müde, 
spricht: Ich mach' euch beide gleich zu nicht! 
Da nistet er sein Strafgericht 
Und ließ sich nicht erbitten. 


Erst hub er an im Blütenmaien 
Mit Hagelkörnern drein zu schneien; 
Die Blüten sanken vom Gewicht 
Der Körner, doch die Käfer nicht, 
An deren Schild ein Schuß sich bricht; 
Sie leben und gedeihen. 

Dann hub er tüchtig an zu frieren: 
Nun werdet ihr die Lust verlieren! 
Den Blüten schrumpfte das Gesicht 
Vom Froste, doch den Käfern nicht; 
Die Blüten fallen Schicht auf Schicht,
 Die Käfer triumphieren. 

Drauf hub er an mit Macht zu regnen: 
Nun will ich euch gewaltig segnen! 
Die Blüten thaten ganz Verzicht 
Aufs Leben, doch die Käfer nicht; 
Ihr Panzerhemd ist wasserdicht,
 Ihnen kann nichts begegnen. 

Nun läßt er seine Sonne scheinen: 
Nun will ich euch in Lust vereinen! 
Allein zur Lust die Kraft gebricht 
Den Blüten, nur den Käfern nicht. 
Der Gute stirbt, es lebt der Wicht, 
So geht's im Großen und Kleinen. 

Fr. Rückert.

Sonntag, 7. April 2013

Lebenslied - Gedicht Ernst Moritz Arndt

Lebenslied

Steh' und falle mit eignem Kopfe,
Thu' das Deine und thu' es frisch!
Besser stolz an dem irdnen Topfe,
Als demütig am goldnen Tisch:
Höhe hat Tiefe,
Weltmeer hat Riffe,
Gold hat Kummer und Schlangengezisch.

Bau dein Nest, weil der Frühling währet.
Lustig bau's in die Welt hinein;
Hell der Himmel sich oben kläret,
Drunten duften die Blümelein:
Wagen gewinnet,
Schwäche zerrinnet -
Wage! dulde! die Welt ist dein.

Steh' nicht horchend, was Narren sprechen.
Jedem blüht aus der Brust sein Stern;
Schicksal webet an stygischen Bächen,
Feigen webet es schrecklich fern.
Steige hinnieder!
Fasse die Hyder!
Starken folget das Starke gern.

Wechselnd geht unter Leid und Freuden
Nicht mitfühlend der schnelle Tag.
Jeder suche zum Kranze bescheiden,
Was von Blumen er finden mag.
Jugend verblühet,
Freude entfliehet:
Lebe! halte! doch lauf' nicht nach.

Ernst Moritz Arndt

Samstag, 6. April 2013

Das Alter - Gedicht Hoffmann von Fallersleben

Alter. 

Nein, ich bin nicht mehr derselbe,
Der ich sonst vor Zeiten war:
Matt das Auge, kraus die Stirne,
Schwach der Arm und grau das Haar.

Und mein Sommer ist entflohen,
Meine Saat ist abgemäht.
Nach verlor'nen Freuden jagen,
Ist es wahrlich nun zu spät.

Eines ist mir nur geblieben —
Alten Glücks Erinnerung;
Und zu dulden und zu leiden
Bin und bleib' ich immer jung.

(Hoffmann von Fallersleben)

Neujahrs-Wunsch - Gedicht Hoffmann von Fallersleben

Neujahrs - Wunsch.

Laß werden, Gott, der Sehnsucht Quelle
In mir so lauter und so helle,
Wie Thau an frischen Lilien bebt.
Dann hat Ihr Bild, das Bild der Einen,
Der Wonniglichen, Frommen, Reinen,
In mir Ihr Engelsbild gelebt.



Dann laß, o Gott, die Quelle tönen
Als eine Stimme alles Schönen
Aus meiner Liebe Frühlingswelt!
Bis einst so lauter und so helle,
Bis einst dann meiner Sehnsucht Quelle
Wie eine Thräne niederfällt.

(Hoffmann von Fallersleben)

Lebensphilosophie - Gedicht Hoffmann von Fallersleben

Lebensphilosophie. 

Hoffe nicht! harre nicht!
Frisch die Zeit beim Schopf gefaßt!
Suche nicht was dir gebricht,
Und genieße was du hast!

Muthig nur und geschwind!
Frag nicht wie? und wann? und wo?
Wenn wir heute lustig sind,
Ei, so sind wir morgen froh.

(Hoffmann von Fallersleben)

Der Regenbogen - Gedicht Johann Michael Friedrich Rückert

Der Regenbogen. 

Wo der Regenbogen steht, 
Steht ein golden Schüsselein; 
Wer bis dort hinüber geht, 
Sieht es stehen blank und rein. 

In dem Schüßlein eingeschenket 
Steht ein goldner Himmelwein; 
Wer daraus nach Lust sich tränket, 
Kann dann nimmer durstig sein. 

Hie und dorten früh und spät 
Bin ich nach dem Schein gegangen; 
Wo er auf der Erde steht. 
Nimmer konnt' ich hingelangen. 

Nimmer konnt' ich hingelangen. 
Wo sich schenkt der goldne Wein; 
Und der Durst in mir, noch lange 
Wird er nicht gestillet sein. 

(Rückert)

Samstag, 30. März 2013

Das Schwein, die Ziege und der Hammel - Fabel La Fontaine

Das Schwein, die Ziege und der Hammel

Eine Ziege, ein Hammel und ein fettgemästetes Schwein wurden gemeinsam auf
einem Karren zum Markt gefahren.

Die Ziege reckte ihren Hals und schaute neugierig in die Landschaft. Der Hammel hing seinen Gedanken nach. Nur das Schwein war aufsässig und fand gar keine Freude an diesem Ausflug.

Es schrie so entsetzlich, daß es sogar dem gutmütigen Hammel zuviel wurde. »Warum machst du denn so einen Lärm? Man kann dabei ja keinen vernünftigen Gedanken fassen.«

Auch die Ziege schimpfte mit dem Schwein und meckerte: »Hör endlich auf mit dem albernen Gezeter und benimm dich anständig. Schau dir die herrlichen, saftigen Wiesen an und sei dankbar dafür, daß du gefahren wirst und nicht zu Fuß gehen mußt.« »Törichte Ziege, dummer Hammel«, schneuzte das Schwein, »ihr haltet euch wohl für sehr klug und gebildet, daß ihr mir Vorschriften machen wollt. Glaubt ihr denn, daß der Bauer uns allein zu unserem Vergnügen herumkutschiert? Hättet ihr nur ein Fünkchen Verstand, dann wüßtet ihr, auf welchem Weg wir uns befinden.

Bestimmt denkt die leichtsinnige Ziege, man will auf dem Markt nur ihre Milch verkaufen. Du, törichter Hammel, glaubst vielleicht, daß man es einzig auf deine Wolle abgesehen hat. Ich aber für meinen Teil weiß es ganz genau, daß man mich mit dem vielen guten Essen ausschließlich zu dem Zweck vollgestopft hat, weil man mich töten und verspeisen will. Darum laßt mich um Hilfe schreien, solange ich es noch kann!« »Wenn du schon so verständig bist«, rief die Ziege zornig, weil das Schwein sie beunruhigt und ihr die schöne Fahrt verdorben hatte, »dann höre auch auf zu jammern! Du weißt, dein Unheil steht fest, was hilft also noch das Weinen und Klagen, wenn du doch nichts mehr ändern kannst?«
(La Fontaine)

Wie würde man den Sinn dieser Fabel deuten?
Was wollte der Dichter damit sagen?
Wollte er damit sagen, dass man alles hinnehmen soll, wenn man daran nichts ändern kann? Oder, dass man diejenigen unwissend lassen soll, die nicht über dies oder jenes nachdenken? Dass man den Augenblick genießen sollte, egal was danach kommt?
Ich verstehe da eher das Schwein, das alles mögliche versucht, um dem Schicksal zu entgehen.

Freitag, 29. März 2013

Die Junge Ente

pixabay

Die junge Ente. 

Die Henne führt der jungen Schaar,
Worunter auch ein Entchen war,
Das sie zugleich mit ausgebrütet.
Der Zug soll in den Garten gehn;
Die Alte giebts der Brut durch Locken zu verstehn;
Und jedes folgt, sobald sie nur gebietet,
Denn sie gebot mit Zärtlichkeit.

Die Ente wackelt mit; allein nicht gar zu weit.
Sie sieht den Teich, den sie noch nicht gesehen;
Sie läuft hinein, sie badet sich.
Wie, kleines Thier! Du schwimmst? Wer lehrt es dich?
Wer hieß dich in das Wasser gehen?
Wirst du so jung das Schwimmen schon verstehen?

Die Henne läuft mir struppigem Gefieder
Das Ufer zehnmal auf und nieder,
Und will ihr Kind aus der Gefahr befreyn;
Setzt zehnmal an, und fliegt doch nicht hinein;
Denn die Natur heißt sie das Wasser scheun.
Doch nichts erschreckt den Muth der Ente;
Sie schwimmt beherzt in ihrem Elemente,
Und fragt die Henne ganz erfreut,
Warum sie denn so ängstlich schreit?

---------

Was dir Entsetzen bringt, bringt jenem oft Vergnügen.
Der kann mit Lust zu Felde liegen,
Und dich erschreckt der bloße Name, Held.
Der schwimmt beherzt auf offnen Meeren;
Du zitterst schon auf angebundnen Fähren,
Und siehst den Untergang der Welt.
Befürchte nichts für dessen Leben,
Der kühne Thaten unternimmt;
Wen die Natur zu der Gefahr bestimmt,
Dem hat sie auch den Muth zu der Gefahr gegeben.

(Christian Fürchtegott Gellert)

Der Hund und das Schaf - Fabel von Aesop

Der Hund und das Schaf 

Bild Schaf
Schaf - Bild pixabay
Ein Hund brachte vor Gericht vor, er habe dem Schaf Brot geliehen; das Schaf
leugnete alles, der Kläger aber berief sich auf drei Zeugen, die man vernehmen müsste, und brachte drei bei. Der erste dieser Zeugen, der Wolf, behauptete, er wisse gewiss, dass der Hund dem Schaf Brot geliehen habe; der zweite, der Habicht, sagte, er sei dabei gewesen; der dritte, der Geier, hieß das Schaf einen unverschämten Lügner. So verlor das Schaf den Prozess, musste alle Kosten tragen und zur Bezahlung des Hundes Wolle von seinem Rücken hergeben.

Wenn sich Kläger, Richter und Zeugen wider jemand vereinigt haben, so hilft die Unschuld nichts.

Der grüne Esel

Der grüne Esel. 

Wie oft weiß nicht ein Narr durch thöricht Unternehmen,
Bild: pixabay
Viel tausend Thoren zu beschämen!

Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel grün,
Am Leibe grün, roth an den Beinen,
Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehn;
Er zieht, und Jung und Alt erscheinen.
Welch Wunder! rief die ganze Stadt,
Ein Esel, zeisiggrün, der rothe Füße hat!
Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen,
Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab!
Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen;
Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab;
Denn alles will den grünen Esel sehn,
Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn.

Man lief die beyden ersten Tage
Dem Esel mit Bewundrung nach.
Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,
Wenn man vom grünen Esel sprach.
Die Kinder in den Schlaf zu bringen,
Sang keine Wärterin mehr von dem schwarzen Schaf;
Vom grünen Esel hört man singen,
Und so geräth das Kind in Schlaf.

Drey Tage waren kaum vergangen;
So war es um den Werth des armen Thiers geschehn,
Das Volk bezeigte kein Verlangen,
Den grünen Esel mehr zu sehn.
Und so bewundernswerth er anfangs allen schien:
So dacht jetzt doch kein Mensch mit einer Sylb an ihn.

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Ein Ding mag noch so närrisch seyn,
Es sey nur neu, so nimmts den Pöbel ein:
Er sieht, und er erstaunt. Kein Kluger darf ihm wehren.
Drauf kömmt die Zeit, und denkt an ihre Pflicht;
Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu bekehren,
Sie mögen wollen, oder nicht.

Christian Fürchtegott Gellert

Die Geschichte von dem Hute

Die Geschichte von dem Hute. 

Das erste Buch. 

Der erste, der mit kluger Hand,
Der Männer Schmuck, den Hut erfand, 
Trug seinen Hut unaufgeschlagen;
Die Krempen hingen flach herab; 
Und dennoch wußt er ihn zu tragen. 
Daß ihm der Hut ein Ansehn gab. 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den runden Hut dem nächsten Erben. 

Der Erbe weis den runden Hut 
Nicht recht gemächlich anzugreifen; 
Er sinnt, und wagt es kurz und gut, 
Er wagts, zwo Krempen auszusteifen, 
Drauf läßt er sich dem Volke sehn; 
Das Volk bleibt vor Verwundrung siehn, 
Und schreit: Nun läßt der Hut erst schön! 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den aufgesteiften Hut dem Erben. 

Der Erbe nimmt den Hut, und schmehlt. 
Ich, spricht er, sehe wohl, was fehlt.
Er setzte drauf mit weisem Muthe, 
Die dritte Krempe zu dem Hute. 
O, rief das Volk, der hat Verstand! 
Seht, was ein Sterblicher erfand ! 
Er, er erhöht sein Vaterland. 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den dreyfach spitzen Hut dem Erben. 

Der Hut war freylich nicht mehr rein; 
Doch sagt, wie könnt es anders seyn?
Er gieng schon durch die vierten Hände. 
Der Erbe färbt ihn schwarz, damit er was erfände. 
Beglückter Einfall! rief die Stadt, 
So weit sah keiner noch, als der gesehen hat. 
Ein weisser Hut ließ lächerlich. 
Schwarz, Brüder, schwarz ! so schickt es sich. 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den schwarzen Hut dem nächsten Erben. 

Der Erbe trägt ihn in sein Haus, 
Und sieht, er ist sehr abgetragen; 
Er sinnt, und sinnt das Kunststück aus. 
Ihn über einen Stock zu schlagen. 
Durch heisse Bürsten wird er rein;. 
Er faßt ihn gar mit Schnüren ein. 
Nun geht re aus, und alle fchreyen:
Was sehn wir? Sind es Zaubereyen? 
Ein neuer Hut! O glücklich Land, 
Wo Wahn und Finsterniß verschwinden! 
Mehr kann kein Sterblicher erfinden, 
Als dieser große Geist erfand. 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den umgewandten Hut dem Erben.

Erfindung macht die Künstler groß,
Und bey der Nachwelt unvergessen; 
Der Erbe reißt die Schnüre los, 
Umzieht den Hut mit goldnen Dressen, 
Verherrlicht ihn durch einen Knopf, 
Und drückt ihn seitwerts auf den Kopf. 
Ihn steht das Volk, und taumelt vor Vergnügen. 
Nun ist die Kunst erst hoch gestiegen! 
IHM, schrie es, ihm allein ist Witz und Geist verliehn! 
Nichts sind die andern gegen ihn! 

Er starb, und ließ bey seinem Sterben 
Den eingefaßten Hut dem Erben. 
Und jedesmal ward die erfundne Tracht 
Im ganzen Lande nachgemacht

Was mit dem Hute sich noch ferner zugetragen, 
Will ich im zweyten Buche sagen. 
Der Erbe ließ ihm nie die vorige Gestalt. 
Das Außenwerk ward neu, er selbst, der Hut, blieb alt. 
Und, daß ichs kurz zusammen zieh, 
Es ging dem Hute fast, wie der Philosophie.

Quelle: Fabeln und Erzählungen: Bd. 1 Christian Fürchtegott Gellert, 1763

Der Zeisig

Die folgende Fabel zeigt, wie der Mensch häufig falsche Schlüsse zieht aus dem Äußeren. Das hat sich im Laufe der Zeit nicht geändert.

Können Sie sich davon ausschließen? Ich glaube fast, dass keiner es kann. Wie heißt doch auch ein bekanntes Sprichwort: "Kleider machen Leute." Haben nicht auch bei uns Menschen Sänger bzw. Sängerinnen mehr Chancen, bekannt zu werden und erfolgreich zu sein, die ein nettes Äußeres haben bzw. den Geschmack der jeweiligen Zeit treffen?

Doch nicht immer steckt hinter einer schönen Fassade auch ein kluger Kopf.

Der Zeisig. 

Ein Zeisig wars und eine Nachtigall,
Die einst zu gleicher Zeit vor Damons Fenster hingen.
Die Nachtigall fing an, ihr göttlich Lied zu singen.
Und Damons kleinem Sohn gefiel der süsse Schall
„Ach welcher singt von beiden doch so schön?
Den Vogel möcht ich wirklich sehn!"
Der Vater macht ihm diese Freude,
Er nimmt die Vögel gleich herein.
"Hier", spricht er, "sind sie alle beide;
Doch welcher wird der schöne Sänger seyn?
Getraust du dich, mir das zu sagen?"
Der Sohn läßt sich nicht zweymal fragen,
Schnell weist er auf den Zeisig hin;
"Der", spricht er, "muß es seyn, so wahr ich ehrlich bin.
Wie schön und gelb ist sein Gefieder!
Drum singt er auch so schöne Lieder;
Dem andern sieht mans gleich an seinen Federn an,
Daß er nichts kluges singen kann."

Sagt, ob man im gemeinen Leben Nicht oft,
wie dieser Knabe schließt?
Wem Farb und Kleid ein Ansehn geben.
Der hat Verstand, so dumm er ist.
Stax kömmt, und kaum ist Star erschienen;
So halt man ihn auch schon für klug.
Warum? Seht nur auf seine Minen,
Wie vortheilhaft ist jeder Zug!
Ein andrer hat zwar viel Geschicke;
Doch weil die Mine nichts verspricht;
So schließt man bey dem ersten Blicke,
Aus dem Gesicht, aus der Perücke,
Daß ihm Verstand und Witz gebricht.

Fabeln und Erzählungen: Bd. 1 Christian Fürchtegott Gellert, 1764

Dienstag, 19. März 2013

Auf und nieder - Gedicht

Auf und nieder. 

Nie ruht die Sonne nach des Tages Müh'n, 
Nicht ist das Abendroth ihr letztes Glüh'n: 
Am jungen Morgen kehrt sie neugeboren, 
Der bangen Welt zurück aus gold'nen Thoren. 
O sei der Sonne gleich, — stets unerschlafft 
An Licht und Lieb' und fröhlicher Lebenskraft.
(Autor unbekannt)

Foto Abendstimmung - Sonnenuntergang
Abendstimmung
Foto: pixabay

Freitag, 15. März 2013

Die beiden Hunde

Die beiden Hunde. 

„Ich will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig," 
Einst gab es zwei Hunde, der eine war kurrig, 
Ein Hund aus dem Volke, gar ehrlich und drall, 
Erwarb er sich Freunde wohl überall. 
Der andre, mit Halsband, mit Zeichen und Schloß,
Verrieth schon im Aeußern, daß er ein Genoß 
Hochadligen Stammes, von vornehmem Stand, 
Doch Stolz war aus seinem Sinne verbannt. 
Die Beiden, sie hatten einander gar gern, 
Und waren sie nicht im Dienst ihrer Herrn,
So schnüffelten sie um einander herum, 
Und gruben nach Mäusen die Felder um, 
Und liefen und rannten und rauften sich baß, 
Und machten sich sonst noch manch lieben Spaß. 
Ich war noch ein Knäblein und schaute vergnügt 
Gar oft ihre Spiele, wie's eben sich fügt. 
Da — 's war wohl an einem Septembertag, 
Auf dem die Hitze gar drückend lag — 
Sagt' einmal der reiche zum armen Hund: 
„Ich wundre mich oft aus Herzensgrund, 
Welch Leben du führst; wie fängt man's an, 
Daß von so Wenig man leben kann?" 

„Das will ich dir sagen", erwiderte schnell 
Der Arme, „'s ist trüb bald der Himmel, bald hell; 
Doch ist man zufrieden, das ist mein Spruch, 
So lebt man dir immer vergnügt genug." 
Da hängt der Andre betrübt die Ohren — 
Er hat die Zufriedenheit längst schon verloren — 
Und traurig er zu dem Armen spricht: 
„Die kennt man im Hause der Reichen nicht."

(Aus "Blumen der Zeit" aus dem Jahr 1847)
Foto: Pixabay

Dienstag, 12. März 2013

Rabe und Fuchs - Fabel von Aesop

Aesop lebte angeblich Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus. Die ihm zugeschriebenen Fabeln werden heute immer noch gern gelesen und treffen im übertragenen Sinn auch auf bestimmte Verhaltensweisen von Menschen zu. Die Fabeln  gehen wahrscheinlich auf mündliche Überlieferung zurück. Das Werk Aesops ist nur in späteren Überarbeitungen erhalten.

Eine bekannte Fabel ist die folgende:

Rabe und Fuchs 

Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen, flog damit auf einen Baum und wollte dort seine Beute in Ruhe verzehren. Da es aber der Raben Art ist, beim Essen nicht schweigen zu können, hörte ein vorbeikommender Fuchs den Raben über dem Käse krächzen. Er lief eilig hinzu und begann den Raben zu loben: »O Rabe, was bist du für ein wunderbarer Vogel! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Gefieder, dann sollte man dich zum König aller Vögel krönen!«

Dem Raben taten diese Schmeicheleien so wohl, daß er seinen Schnabel weit aufsperrte, um dem Fuchs etwas vorzusingen. Dabei entfiel ihm der Käse. Den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachte über den törichten Raben.

Ein Freund - Lichtenberg

Ein Freund, der nie von Eigennutz gelenkt
Die Pflichten übt, die Lessing selbst nur denkt;
Der, wenn die Erde bebt und alle Gläser sinken,
Mich standhaft lehrt, den Wein aus Tassen trinken;
Der goldne Narrn verlacht und Bettelnde beweint,
Ein solcher Freund, das heißt ein wahrer Freund.
(Georg Christoph Lichtenberg
an Friedrich Maximilian Moors 1767)

Sonntag, 10. März 2013

Jugend und Alter - Hoffmann von Fallersleben

Foto: Pixabay

Jugend und Alter. 

Jugend, dich Hab' ich so lieb! 
Alter kommt wie ein Dieb, 
Nimmt den Rosen Farb' und Duft, 
Vögeln ihren Flug in der Luft, 
Bäumen und Reben ihren Saft, 
Und dem Menschen seine Kraft. 

Jugend, dich Hab' ich so gem! 
Alter, bleibe du fern! 
Hauche des Mägdleins Locke nicht an! 
Ei, was hat dir die Wange gethan! 
Kannst du nicht leiden Tanz und Gesang? 
Willst du todten der Stimme Klang? 

Jugend, ich flehe zu dir, 
Werde Zauberin mir! 
Wird der Wangen Röthe nicht jung, 
Kehret nicht wieder der Füße Schwung — 
Rette die Seele vor Alters List, 
Daß ich dich lobe, wie schön du bist!

(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)

Lebensfrage - Hoffmann von Fallersleben

Foto Pixabay

Lebensfrage. 

Soll ich müssig sein und klagen, 
Jung noch wie ein Greis verzagen, 
Und das Leben nicht verstehn? 
Soll ich unter Blüthenbäumen 
Von genossnen Früchten träumen, 
An Erinnerung vergehn? 

Ob wir weinen oder lachen, 
Ob wir schlafen oder wachen, 
Freund, die Nacht stellt doch sich ein. 
Alte Freuden zu erneuen, 
Wollen wir uns heute freuen, 
Jeder Tag soll unser sein!

(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)

Der Philosoph - Wilhelm Busch

 Selbstporträt vom Wilhelm Busch aus dem Jahr 1894
Auch unser bekannter Deutscher Dichter, Wilhelm Busch, der Erfinder von Max und Moritz, hatte eine Meinung über die Philosophen. In dem folgenden Gedicht beschreibt er einen besonders ernsten Philosophen.


Der Philosoph

Ein Philosoph von ernster Art,
Der sprach und strich sich seinen Bart:
»Ich lache nie. Ich lieb' es nicht,
Mein ehrenwertes Angesicht
Durch Zähnefletschen zu entstellen
Und närrisch wie ein Hund zu bellen;

Ich lieb' es nicht, durch ein Gemecker
Zu zeigen, daß ich Witzentdecker;
Ich brauche nicht durch Wertvergleichen
Mit andern mich herauszustreichen,
Um zu ermessen, was ich bin,
Denn dieses weiß ich ohnehin.

Das Lachen will ich überlassen
Den minder hochbegabten Klassen.
Ist einer ohne Selbstvertraun
In Gegenwart von schönen Fraun,
So daß sie ihn als faden Gecken
Abfahren lassen oder necken.

Und fühlt er drob geheimen Groll
Und weiß nicht, was er sagen soll,
Dann schwebt mit Recht auf seinen Zügen
Ein unaussprechliches Vergnügen.
Und hat er Kursverlust erlitten,
Ist er moralisch ausgeglitten.

So gibt es Leute, die doch immer
Noch dümmer sind als er und schlimmer.
Und hat er etwa krumme Beine,
So gibt's noch krümmere als seine.
Und tröstet sich und lacht darüber
Und denkt: Da bin ich mir doch lieber.

Den Teufel lass' ich aus dem Spiele.
Auch sonst noch lachen ihrer viele,
Besonders jene ewig Heitern,
Die unbewußt den Mund erweitern,
Die, sozusagen, auserkoren
Zum Lachen bis an beide Ohren.

Sie freuen sich mit Weib und Kind
Schon bloß, weil sie vorhanden sind.
Ich dahingegen, der ich sitze
Auf der Betrachtung höchster Spitze,
Weit über allem Was und Wie,
Ich bin für mich und lache nie.«

(Wilhelm Busch 1832 - 1908)

Denkender Mensch
Foto: Pixabay

Samstag, 9. März 2013

Der Schutzengel - Langbein

Wie doch ein Schutzengel so manches Mal Hilfreich sein kann, zeigt dieses nette Gedicht des Dichters Langbein, der von 1757 bis 1835 lebte.

Schutzengel anderer Art - in allen möglichen Formen, hauptsächlich auch als Geschenkartikel - sind heute noch begehrte Lebensbegleiter.





Der Schutzengel.

Auf eines Berges steilem Nacken,
Umstarrt von hohen Felsenzacken,
Stand eine feste Burg am Rhein,
Bewohnt von Hans von Eberstein.
Ein Dorn im Auge war dem Kaiser,
Otto dem Großen, längst dieß Schloß;
Denn Hans, das Haupt der Grafenhäuser,
War seiner Feinde Bundsgenoß.

Die Burg, so hoch wie Adler fliegen,
War schwer mit Heermacht zu besiegen,
Und Kriegskunst, Wachsamkeit und Muth
Vereinten sich zu ihrer Huth.
Doch hoffend, daß sie unterm Schleier
Der Nacht zu überrumpeln sey,
Erscholl ein Aufgebot nach Speier
Zu einem festlichen Tnrnei.

Graf Eberstein, dazu geladen,
Befahrte weder Trug noch Schaden,
Und ritt mit Otto's Freigeleit
Vergnügt hinab zum Lanzenstreit.
Froh hieß der Kaiser ihn willkommen,
Und sprach zugleich in seinem Sinn:
„Dein Schlößlein wird bei Nacht genommen,
Und morgen bin ich Herr darin."

Gefeiert mit gerechtem Ruhme,
War Hans an Seel' und Leib die Blume
Der edlen deutschen Ritterschaft
Ein Biederheld voll Jugendkraft.
Auch jetzt erkämpfte seine Lanze
Des Sieges Dank aus zarter Hand,
Und freundlich war beim Reihentanze
Der Fräulein Blick zu ihm gewandt.

Des Kaisers Tochter, hold dem Ritter,
Erbebte vor dem Ungewitter,
Das sich, indeß man Freundschaft log,
Ob seiner Burg zusammenzog.
Sie stellte sich mit ihm zum Reigen,
Und raunte tanzend ihm ins Ohr:
„Graf, säumet nicht, zu Roß zu steigen,
Und schützt vor Feinden Euer Thor!' —

Er war im Flug auf seiner Feste,
Und leise zogen ehrne Gäste
Im Morgengrau die Felsenbahn,
Vom Kaiser selbst geführt, hinan.
Hans aber stand beherzt und munter,
Von seinen Fähnlein rings umweht,
Und grüßte von dem Wall herunter:
„Willkommen Eure Majestät!"

Bestürzt rief Otto: „Was, der Geier!
Ich denke, Du bist noch in Speier. —
Ha! liebreich that ein Plaudermund
Dir meine Kriegslist heimlich kund.
Doch Du gefällst mir, kühner Degen,
Zur Scheide kehrt zurück mein Schwert,
Und Deine Traute sey, mit Segen
Zur lieben Hausfrau Dir gewährt." —


Hans flog hinab die Felsenstufen
Und unter lautem Jubelrufen
Der Seinen und der Kaiserschaar,
Umarmte sich das Heldenpaar.
Mit Freuden schied vom Fürstenrange
Die Braut des edlen Eberstein,
Und reich an Gütern blühte lange
Sein wackeres Geschlecht am Rhein.

(August Friedrich Ernst Langbein)


August Friedrich Ernst Langbein (* 6. September 1757 auf Schloss Klippenstein in Radeberg; † 2. Januar 1835 in Berlin) war ein seiner Zeit viel gelesener deutscher Dichter und Romanschriftsteller. (Quelle: Wikipedia)

Passend zu dem Gedicht um die Burg Alt-Eberstein rankt sich auch eine Sage, die in der Trinkhalle Baden-Baden bildlich dargestellt ist:

Alt-Eberstein. Fresko von Jakob Götzenberger in der Trinkhalle Baden -Baden, 1844.

Der Straßburger Bischof liegt im Streit mit Kaiser Otto I., in dem die Grafen von Eberstein dem Bischof zur Seite stehen. Der Kaiser ist davon wenig erfreut und beschließt die Belagerung der Burg, um die Grafen auszuhungern. Als nach über einem Jahr noch kein Erfolg der Belagerung abzusehen ist, denkt sich der Kaiser eine List aus, um der Burg habhaft zu werden und lädt diese zu einem Turnier nach Speyer ein. Sein Hintergedanke ist, ohne die Anwesenheit der Grafen die Burg leicht einzunehmen. Des Kaisers Tochter findet jedoch Gefallen am jüngsten Grafen und verrät ihm den Plan ihres Vaters. Die eiligst zurückkehrenden Grafen von Eberstein können den erneuten Angriff der kaiserlichen Soldaten gerade noch abwehren und bleiben siegreich. Da die Soldaten des Kaisers jedoch nicht allzu strebsam waren, sind die Kornkammern und Weinkeller der Grafen noch stark gefüllt und können noch einer längeren Belagerung standhalten. Um dies auch dem Kaiser zu verdeutlichen zeigen die Grafen den kaiserlichen Inspektoren ihre Vorräte. Der Kaiser, den die Belagerung zu viel Geld kostet, zeigt sich von der Listigkeit der Grafen beeindruckt und macht sie zu seinen Verbündeten, indem er seine Tochter Wendelgard dem jüngsten Grafen Eberhard zur Frau gibt.
(Quelle: Wikipedia)

Mittwoch, 6. März 2013

Das Himmelreich - Friedrich Baltzer

Foto: Pixabay

Das Himmelreich. 

Du suchst und möchtest gern es finden,
Was deine Seele selig macht.
Du suchst es in des Himmels Gründen
Und in der Erde tiefstem Schacht.
Du suchst es über fernen Meeren,
In einer andern Sonne Licht;
Du schmückest dich mit Ruhm und Ehren:
Doch das Ersehnte hast du nicht.

O so verlaß das eitle Drängen,
Laß ab von thörichter Begier!
Tönt's nicht in jubelnden Gesängen:
„Das Himmelreich ist nah bei dir"?
Such's nicht in Höhen, nicht in Gründen,
Nicht in der schnell verblühten Lust:
Willst du den wahren Himmel finden,
Such' ihn, o Mensch, in deiner Brust!

(Friedrich Baltzer, veröffentlicht 1833)


Johann Friedrich Baltzer jun. (* 18. November 1801 in Hohenleina; † 22. Januar 1885 in Dresden), deutscher Pfarrer, Revolutionär (1848/49) und Literat; 1833-1849 Pfarrer in Zwochau (Quelle: Wikipedia)

Sonntag, 3. März 2013

Leben und Liebe - Hoffmann von Fallersleben

Foto: Pixabay

Leben und Liebe 

Das Leben ist nur Kampf und Streit: 
Wir müssen leiden, müssen ringen. 
Frisch auf mit Muth und Heiterkeit, 
Und endlich wird es dir gelingen. 
Was heute noch dein Herz entbehret, 
Schon morgen ist es dir gewähret. 

O klage nicht dein Schicksal an: 
Der Liebe galt allein dein Streben. 
Wer noch für Liebe kämpfen kann, 
Dem ist noch reich das arme Leben. 
Und gäb' es gar kein Glück auf Erden, 
So ist's ein Glück, geliebt zu werden. 

(Hoffmann von Fallersleben)

Quelle: Lieder und Gedichte zum Gebrauch für Versammlung, Schule und Haus freier Gemeinden, Friedrich Schünemann-Pott, 1833 

Ermutigung - Friedrich Blau

Foto: Pixabay

Ermuthigung. 

Dräut auch der Winter noch so sehr,
Raubt uns der Blumen buntes Heer,
Bedeckt mit Eis die Erden:
Im Mutterschooße schlummert lind
Manch' stilles, schönes Blumenkind, —
Es muß ja Frühling werden!

Ist es auch dunkel rings umher,
Strahlt nicht ein Stern am Himmel mehr,
Entschlummert alles Leben:
Bald muß entflieh'n die düstre Nacht,
Bald muß in neuer schöner Pracht
Die Sonne sich erheben.

Und braus't es rings auch um uns her,
Umzieht Gefahr uns groß und schwer:
Die Brust ihr keck entgegen!
Einst sinkt der stolze Feind dahin,
Einst muß die Freiheit doch erblüh'n
Mit ihrem ganzen Segen.

(Friedrich Blau)

Bedeutung für dreut: zumeist poetisch und literarisch "drohen".

Ein kleines Trostgedicht bei dem derzeitig trüben Wetter. Es wird Frühling, bald, ganz bestimmt.

Wozu? - Friedrich Blau

Foto: Pixabay

Wozu? 

Wozu nur auf den Himmel hoffen,
Der unser wird nach frommem Tod?
Ein schönes Leben liegt ja offen,
Ein Leben frisch und rosenroth.

Wozu nur dort erst selig werden,
Mit Engeln leben im Verein?
Du kannst ja hier auf dieser Erden
In deinem Herzen selig sein.

Wozu erst Freiheit dort erringen,
Nach dieses Lebens Sklaverei?
Wag' es nur kühn! Es muß gelingen!
Du wirst auch hier schon froh und frei!
(Friedrich Blau)

Quelle: Lieder und Gedichte zum Gebrauch für Versammlung, Schule und Haus freier Gemeinden, Friedrich Schünemann-Pott, 1833

Ja, wozu? Recht hat er, der Dichter aus dem 19. Jahrhundert. Die Zeilen sind noch genauso heute zutreffend. Denken Sie doch mal darüber nach!

Das Glück - Hoffmann von Fallersleben

Glückskäfer
Foto: Pixabay

Das Glück. 

O frag' mich nicht: „Was ist denn Glück"?
Sieh vorwärts nicht, noch sieh zurück!
O such' es nicht in weiter Ferne,
Auf diesem oder jenem Sterne!
O such's nicht dort und such's nicht hier:
Es wohnet nur in Dir!

Und wenn Du's da nicht finden magst,
Umsonst ist's, daß du weinst und klagst,
Umsonst dein Sehnen, dein Verlangen,
Umsonst dein Hoffen und dein Bangen!
O frag' mich nicht! Das Glück sind wir,
Das Glück wohnt nur in Dir!
(Hoffmann v. Fallersleben.)

Quelle: Lieder und Gedichte  zum Gebrauch für Versammlung, Schule und Haus freier Gemeinden, Friedrich Schünemann-Pott, 1833

Kennt nicht jeder das Sprichwort: "Jeder ist seines Glückes Schmied?" Das wunderschöne Gedicht von Hoffmann von Fallersleben sagt wohl in Reimen das Gleiche aus.

Wir sollen nicht jammern über den derzeitigen Zustand, nicht bessere Zeiten herbeisehnen, auch nicht die Vergangenheit schön färben. Wir sollten einfach aus der Gegenwart das Beste machen.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Theodor Fontane - Überlass es der Zeit

Schlagfertigkeit gehört zu den Eigenschaften, die man gerne besitzen möchte. Besonders dann, wenn man sich über die Äußerung eines Mitmenschen sehr ärgert. Man möchte sofort "kontern" und demjenigen gehörig des Marsch blasen oder auch mit einer noch passenderen Bösartigkeit den Spieß umdrehen.

Häufig höre ich von Mitmenschen: "Dem hab ich es aber gezeigt". Oder: "Dem hab ich mal so richtig die Meinung gesagt". Was bringt das? Ist der andere deshalb einsichtiger? Gelingt es, dessen Meinung dadurch etwa zu ändern? Ich glaube eher nicht. Vielleicht gelingt es noch mit Argumenten, aber sicher nicht mit besserwisserischer Kritik oder gar einer Zurechtweisung. Halten Sie es lieber wie der Dichter Theodor Fontane, dessen Gedicht viel Weisheit enthält:

Überlass es der Zeit 

Erscheint dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuchs nicht mit Streit, 
Berühr es nicht, überlass es der Zeit.
Am ersten Tage wirst du feige dich schelten,
Am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du's überwunden;
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter, 
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.

(Theodor Fontane, 1819-1898)

Dienstag, 1. Januar 2013

Gedanken für das neue Jahr

Am Ende des Jahres bzw. zum Jahreswechsel machen wir uns Gedanken. Was wird das neue Jahr bringen? Wir hoffen auf ein weiterhin friedliches Miteinander, keinen Krieg im eigenen Land und für die Familie Gesundheit und ein ausreichendes Einkommen.

Das alles ist nicht selbstverständlich. Auch in unserer Wohlstandsgesellschaft gibt es Menschen, denen es schlecht geht, die jeden Tag, jeden Monat kämpfen müssen - ums Überleben. Große Konzerne entscheiden, häufig im Ausland, ob eine Firma weiter geführt wird oder ob "es sich nicht mehr lohnt". Tausende Arbeitsplätze und viele Familien sind betroffen. Laut Neujahrsansprache unserer Bundeskanzlerin soll es in diesem Jahr für die Wirtschaft nicht so gut aussehen. Die Krise ist noch nicht überstanden. Viele Länder in der EU kämpfen mit Schulden. Die Bürger dieser Länder haben darunter zu leiden und machen teilweise auch Deutschland für diese Situation verantwortlich. Den Deutschen geht es noch verhältnismäßig gut. Aber wie lange noch? Wird man uns mit weiteren Opfern und Abgaben überfordern? Muss immer der kleine Mann für Veränderungen, wie z. B. den Ausstieg aus der Atomenergie, zahlen? Werden wir überhaupt noch gefragt oder entscheidet eine kleine Gruppe, die weit davon entfernt ist, beurteilen zu können, wie ein einfacher Arbeiter über die Runden kommen kann? Arbeit muss sich wieder lohnen, die Abzüge und Kosten dürfen uns nicht erdrücken. Nur so kann es wieder aufwärts gehen.

Der berühmte Philosoph und Begründer der abendländischen Philosophie Aristoteles sagte bereits:
„Wo kein Eigentum ist, da ist auch keine Freude zum Geben; da kann niemand das Vergnügen haben, seinen Freunden, dem Wanderer, den Leidenden in ihrem Mangel zu helfen."
Aristoteles (384-322 vor Chr.)

Wenn dann noch der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, meint, dass das Gehalt der Kanzlerin nicht ausreichend sei, dann frage ich mich, wie weit unsere Volksvertreter den Bezug zur Realität verloren haben. Man müsste diesen Herrn zwingen, einmal ein Jahr lang mit dem Lohn eines Arbeiters auszukommen, von dem er gewählt werden möchte.

Hoffen wir das Beste für das neue Jahr. Ich wünsche allen Lesern meines Blogs vor allem Gesundheit und alles erdenklich Gute für 2013.