Freitag, 15. März 2013

Die beiden Hunde

Die beiden Hunde. 

„Ich will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig," 
Einst gab es zwei Hunde, der eine war kurrig, 
Ein Hund aus dem Volke, gar ehrlich und drall, 
Erwarb er sich Freunde wohl überall. 
Der andre, mit Halsband, mit Zeichen und Schloß,
Verrieth schon im Aeußern, daß er ein Genoß 
Hochadligen Stammes, von vornehmem Stand, 
Doch Stolz war aus seinem Sinne verbannt. 
Die Beiden, sie hatten einander gar gern, 
Und waren sie nicht im Dienst ihrer Herrn,
So schnüffelten sie um einander herum, 
Und gruben nach Mäusen die Felder um, 
Und liefen und rannten und rauften sich baß, 
Und machten sich sonst noch manch lieben Spaß. 
Ich war noch ein Knäblein und schaute vergnügt 
Gar oft ihre Spiele, wie's eben sich fügt. 
Da — 's war wohl an einem Septembertag, 
Auf dem die Hitze gar drückend lag — 
Sagt' einmal der reiche zum armen Hund: 
„Ich wundre mich oft aus Herzensgrund, 
Welch Leben du führst; wie fängt man's an, 
Daß von so Wenig man leben kann?" 

„Das will ich dir sagen", erwiderte schnell 
Der Arme, „'s ist trüb bald der Himmel, bald hell; 
Doch ist man zufrieden, das ist mein Spruch, 
So lebt man dir immer vergnügt genug." 
Da hängt der Andre betrübt die Ohren — 
Er hat die Zufriedenheit längst schon verloren — 
Und traurig er zu dem Armen spricht: 
„Die kennt man im Hause der Reichen nicht."

(Aus "Blumen der Zeit" aus dem Jahr 1847)
Foto: Pixabay

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