Dienstag, 14. Mai 2013

Die Kinder im Walde

Die Kinder im Walde

Es blieben einst drei Kinder stehn,
Die grad' zur Schule sollten gehn;
Sie dachten dies, sie dachten das:
Das Lernen sei ein schlechter Spaß,

Und sprachen dann mit leichtem Sinn:
„Ei, laßt uns doch zum Walde hin!
Das Spielen ist der Thierlein Brauch;
Laßt spielen uns mit ihnen auch!"

Sie luden denn im Walde ein
Zum Spiel die Thiere groß und klein;
Doch sprachen die: „ Es thut uns leid;
Wir haben jetzo keine Zeit."

Der Käfer brummte: „Das wär' schön,
Wollt' ich mit euch so müßig gehn!
Ich muß aus Gras ein Brücklein baun;
Dem alten ist nicht mehr zu traun."

Am Ameishaufen schlichen sie
Ganz leis vorbei, ich weiß nicht wie,
Und liefen vor dem Bienlein schier'
Als war' es gar ein giftig Thier.

Das Mauslein sprach zu ihnen fein:
„Ich sammle für den Winter ein."
„Und ich," das weiße Täubchen sprach,
„Zum Neste dürre Reiser trag'."

Das Häschen winkte freundlich bloß:
„Ich könnte um die Welt nicht los;
Ihr seht, mein Schnäuzcheu ist nicht rein,
Das muß im Fluß gewaschen sein."

Und auch das Erdbeerblütchen sprach:
 „Ich nütze diesen schönen Tag,
Zu reifen meine süße Frucht,
Die dann der arme Bettler sucht."

Da kam ein junger Hahn daher.
Sie riefen: „Liebster Monsieur! er,
Er hat doch wahrlich nichts zu thun
Und kann ein bißchen bei uns ruhn!"

„Pardon! ich hab' von Adel Gäst'
Und arrangire heut' ein Fest!"
So spricht der Hahn voll Gravität,
Verneigt sich steif und kalt, und geht.

Draus dachten sie in ihrem Sinn:
Du, Bächlein, plätscherst doch so hin,
Komm, spiel' mit uns, sei mit uns froh!"
Das Bächlein sprach erstaunt: „Wie so?

Ei seht die faulen Kinder, seht!
Ich weiß nicht, wo der Kopf mir steht.
Sie meinen, ich hätt' nichts zu thun,
Und kann doch Tag und Nacht nicht ruhn.

Menschen, Thiere, Gärten, Wälder,
Wiesen, Thal und Berg und Felder —
Alle muß das Bächlein tränken
Und die Töpfe auch noch schwenken,

Kinder wiegen, Mühlen treiben,
Bretter schneiden, Erz zerreiben,
Wolle spinnen, Schiffe tragen,
Feuer löschen, Hämmer schlagen.

Ich kann euch alles sagen nicht,
Weil Mir dazu die Zeit gebricht."
So sprach's, und sprang von Ort zu Ort,
Und husch! war gleich das Bächlein fort.

Da war ihr Muth dem Sinken nah,
Als einer einen Finken sah,
Der aus dem Aste saß in Ruh
Und pfiff sein Lied und fraß dazu.

Sie riefen: „Ach, Herr Biedermann,
Der all die schönen Lieder kann,
Du hast gewiß recht viele Zeit
Und bist mit uns zum Spiel bereit!"

„Potz tausend! Hab' ich recht gehört?
Ihr Kinder scheint mir recht bethört;
Ich hab' gejagt den langen Tag
Den Mücken, sie zu fangen, nach.

Nun wollen auch die Jungen mein
Im Schlafe eingesungen sein;
Drum pfeif' ich mit der Brüder Chor
Den Kleinen meine Lieder vor.

Ich sing' dem Wald zur hohen Lust,
Ein müder Mann, aus froher Brust,
Dem Herren giebt mein Mund den Preis
Und lobt die Arbeit und den Schweiß.

Doch sprecht, was habt ihr denn gemacht,
Die also schlecht von nur gedacht?
Kehrt um, ihr Müßiggänger ihr,
Und stört die Leut' nicht länger hier!"

Von allen Thieren so belehrt,
Sind draus die Kinder froh gekehrt,
Und wußten, daß dem Fleiß allein
Des Spieles Lust ein Preis kann sein.

Franz v. Pocci





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